Hitzestress bei Schweinen

Stand: 07/09/2020
Länger anhaltende Hitzeperioden blieben seit dem offiziellen Sommeranfang Ende Juni bisher zwar aus, trotzdem wurde vieler Orts bereits die 30°C-Grenze geknackt. Werden diese Hitzephasen länger, stellt das nicht nur für uns sondern auch für das Schwein eine enorme Belastung dar. Die Konsequenzen sind häufig schlechte Futteraufnahmen, eine reduzierte Reproduktions- und Milchleistung, sowie schlechte Aufzuchtergebnisse.

Wer Umbaumaßnahmen im Stall, wie Rieselwände, Cool Pads oder Sprühkühlungen nicht realisieren kann, steht oft vor einer Herausforderung. Besonders im Abferkelstallt führen die unterschiedlichen Anforderungen der Ferkel und der Sau an das Klima häufig zu (lebensbedrohlichen) Problemen. Eine Anpassung der Fütterung kann kurzfristig helfen.

1. Rationsgestaltung anpassen

    Über Verdauung- und Stoffwechselprozesse produziert das Schwein Körperwärme. Unter Hitzestress versucht das Schwein dem Anstieg der inneren Körpertemperatur durch eine reduzierte Futteraufnahme entgegen zu wirken. In den ersten 14 Tagen der Laktation ist die Belastung durch die produzierte Körperwärme besonders hoch.

    Der Einsatz von Futterkomponenten mit hoher Verdaulichkeit hilft die Wärmeproduktion über Verdauungsvorgänge zu reduzieren.

    Bei der Verstoffwechselung von Proteinen fällt besonders viel Wärme als Nebenprodukt an. Um die Wärmeproduktion zu verringern, ist ein Absenken des Rohproteingehaltes und der Einsatz von Aminosäuren in der Ration daher ein wirkungsvoller Ansatz um die Futteraufnahme konstant zu halten.
    Versuche zeigen, dass unter Hitzestress bei laktierenden Sauen ein XP-Gehalt von 14% und 0,9% Lys zu einer reduzierten metabolische Wärmeproduktion führt (im Vgl. zu 19,5% XP).
    Darüber hinaus können Futterkomponenten mit einer hohen biologischen Wertigkeit eingesetzt werden. Fasergehalte sollten in Hitzeperioden auf das Minimum reduziert werden. Bei der Fermentation im Darm wird viel Wärme freigesetzt die das Schwein zusätzlich belasten.
    Weizen ist aufgrund der hohen Protein- und Aminosäurenverdaulichkeit, sowie der geringeren BFS-Gehalten unter Hitzestress gegenüber der Gerste zu bevorzugen

    Um der reduzierten Futteraufnahme zu begegnen, kann es sinnvoll sein die Nährstoffkonzentrationen anzupassen. Der Schlüssel zum Erfolg ist auch hier die Berücksichtigung der metabolischen Wärmeproduktion über das Futter. Die Nutzung von Fett als Energieträger geht mit einem geringeren Anfall an Wärme als Nebenprodukt einher. Folglich kann der Einsatz von verdaulichem Fett Leistungseinbußen durch eine reduzierte Futteraufnahme vorbeugen.


2. Mineralstoffe
    Unter Hitzestress steigt der Bedarf vieler Mineralstoffe an. Fällt gleichzeitig die Futteraufnahme ab, drohen Unterversorgung und Mangelerscheinungen. Bei Hitzeperioden sollte der Mineralfutteranteil in der Ration erhöht bzw. je nach deklarierter Einsatzempfehlung an die reelle Futteraufnahme angepasst werden.

3. Wasser
    Eine hohe Wasseraufnahme ist nicht nur unter Hitzestress von großer Bedeutung für das Tier. Zu geringe Wasseraufnahmen bleiben nicht selten unentdeckt und können zu Klauenentzündungen, Durchfällen oder MMA führen.

    Tab.1: Wie viel Wasser braucht das Schwein?
    (nach KTBL Wasserversorgung in der Schweinhaltung, 2009)
    Muttersau20 L/Sau + 1,5L/ FerkelØ 41 L/Tag
    Aufzucht500ml je 100g TGZ Ø 2,5 L/Tag
    Mast800ml je 100g TGZØ 6,4 L/Tag
    Bei steigenden Temperaturen benötigt das Tier zusätzlich Wasser zur Thermoregulation! Eine unzureichende Wasserversorgung unter Hitzestress führt zu starken Milchleistungsabfällen, MMA und schlechten Aufzuchtergebnissen.

    Versuche zeigen darüber hinaus, dass Sauen von einer kühleren Temperatur des Wassers profitieren. Eine Wassertemperatur von 15°C führte im Vergleich zu 20°C Wassertemperatur zu einer höheren Futter- und Wasseraufnahme, höheren Milchleistungen und höheren Absetzgewichten bei den Ferkeln.

    Eine einfache Möglichkeit die Wasseraufnahme der Tiere zu überwachen ist die Installation von Wasseruhren. So kann der tägliche Wasserverbrauch direkt abgelesen werden.


4. Futterzusatzstoffe
    Bei länger anhaltenden Hitzeperioden haben bestimmte Futterzusatzstoffe das Potential das Tier zu unterstützen und negative Folgen der Stresssituation auszugleichen.

    Oxidativer Stress führt häufig zu „Lücken“ in der Darmbarriere, die ideale Eintrittspforte für potentiell schädliche Bakterien. Der Einsatz von Hefen stabilisiert die Darmbarriere und verbessert die Nährstoffaufnahme im Darm. Dies führte in in Versuchen zu einer besseren Milchqualität der Sau und zu höheren Absetzgewichten bei den Ferkeln. Bei Milchleistungsabfall unter Hitzestress können die Ferkel von einer verbesserten Darmgesundheit und –funktion der Sau profitieren.

    Ebenso können Antioxidantien wie z.B. Vitamin C und E, Glycinate oder Selen die Zellen vor oxidativem Stress schützen und einem Leistungsabfall unter Hitzestress entgegen wirken. Frisst das Schwein nur 70% der errechneten Ration, muss die Konzentration entsprechend um 30% erhöht werden.

    Aromen werden dem Futter gerne zugesetzt, um die Futteraufnahme auch bei steigenden Temperaturen aufrechtzuerhalten. Allerdings sollte bedacht werden, dass dies keine Entlastung für das Tier bedeutet, sondern eher zu einer zusätzlichen Körperwärmebelastung führt.


Alles in Allem sind Fütterungsstrategien für eine bessere Bewältigung von Hitzestress nie so effektiv wie bauliche Maßnahmen, die die Abgabe von Körperwärme an die Umgebung fördern. In Betrieben wo bauliche Alternativen an ihre Grenzen stoßen können sie jedoch ein zielführendes Instrument sein.

Und sollte man diesen Sommer mal an seine Grenzen kommen, hilft es kreativ zu sein und einen kühlen Kopf zu bewahren. Die Ferkelerzeugerin Nadine Henke aus Bruchhausen-Vilsen in Niedersachsen beispielsweise verschaffte ihren Sauen vergangenen Sommer während der Geburt Abkühlung durch das Auflegen nasser, kalter Handtücher (siehe Abb. 1-3). Die nassen Handtücher bewirken einen Wärmeverlust über die Haut und regen gleichzeitig den Kältereiz des vegetativen Nervensystems an, was zu einer Stabilisierung des Herz-Kreislauf-Systems führt. Das funktioniert natürlich nur so lange, wie die Handtücher auch kalt sind. Bei Nadine Henke werden sie regelmäßig nach 10-15 min gewechselt.

Abb. 1-3: Facebook Beitrag „Hitzestress“, Fotos: © Broksersauen, Nadine Henke
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<b><font size=Quellen:
84 Improving dietary amino acid balance reduces heat production in lactating sows exposed to heat stress -Sai Zhang, Jay S Johnson, Nathalie L Trottier, 2019
Journal of Animal Science

Methods to Supply Chilled Drinking Water for Lactating Sows During High Ambient Temperatures - Jung Hwan Jeon & Doo Hwan Kim, 2016
Italian Journal of Animal Science

Effects of chilled drinking water on the performance of lactating sows and their litters during high ambient temperatures under farm conditions. J.H. Jeon, S.C. Yeon, Y.H. Choi, W. Min, S. Kim, P.J.Kim, H.H. Chang, 2006
Livestock Science

MEET THE EXPERT: Nutritional solutions for lactating sows under heat stress Lallemand Animal Nutrition, Prof. Dr. Bruno Silva, 26.06.2020

https://lallemandanimalnutrition.com/de/germany/neuigkeiten/ist-hitzestress-ein-problem-fuer-sauen/

https://www.facebook.com/broksersauen/posts/1236973376479811

https://broksersauen.wordpress.com/

Im Anhang finden Sie den vorstehenden Beitrag als pdf-Dokument zum Download/ Druck.



Hitzestress bei Schweinen_2020-07-06.pdfHitzestress bei Schweinen_2020-07-06.pdf

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