Zum Einsatz von Bacillus thuringiensis-Präparaten gegen den kleinen Frostspanner (Operophtera brumata) im Apfelanbau (11/04)

Einleitung
Die ältesten Bacillus thuringiensis-Produkte stehen seit ca. 20 Jahren zur Verfügung.
Sie wirken sehr spezifisch auf Larvenstadien von Lepidopteren mit wenigen Ausnahmen wie z.B. Eulen-Arten. Nicht bekämpfbar sind außerdem Minierer oder auch gespinstbildende Arten. Fruchtschädlinge wie Pflaumenwickler und Apfelwickler sind allenfalls nur schwer erreichbar. Ein weiteres Produkt (Novodor) wurde zur Bekämpfung von Kartoffelkäferlarven entwickelt.

Der Wirkstoff setzt sich aus zwei Komponenten zusammen:
a) Toxine (Delta-Endotoxinkristalle) von Bacillus thuringiensis
b) Dauersporen von Bacillus thuringiensis

Diese Wirkstoffkombination wirkt ausschließlich über Aufnahme durch Fraßtätigkeit. Die Toxine greifen die Darmwand an, wodurch die anschließende Keimung und das Eindringen der Sporen gefördert wird.

Eine Wirkung kann aber nur eintreten, wenn der pH-Wert im Darmtrakt leicht basisch ist. Da Eulenraupen dort einen leicht sauren pH-Wert unterhalten, ist die Wirkung hier nur schwach bzw. gar nicht vorhanden.
Die Wirkung wird in zwei Schritten deutlich: zunächst tritt sofortiger Fraßstopp ein. Der Tod kommt erst nach einigen Tagen. In der Zwischenzeit sind aber bereits farbliche Veränderungen (Verbräunungen) bis hin zu Schrumpfungen des Hinterleibes erkennbar.

Die Wirkdauer von B.th-Präparaten beträgt bis zu 14 Tage, sofern UV-Strahlung abgeschirmt ist. Realistische Angaben im Obstbau dürften bei 2 bis 4 Tagen liegen, da hier Schattiereffekte von geringer Bedeutung sind.

Seit Beginn der 90-er Jahre gab es eine Weiterentwicklung der Produkte hin zu wirksameren Bacillusstämmen. Bei dem Produkt Turex handelt es sich um B. thuringiensis var. aizawai x kurstaki (Stamm GC-91) und bei XenTari um B. thuringiensis var. aizawai, wobei hier insgesamt 5 Toxintypen zugesetzt wurden.

Nicht alle Bacillus thuringiensis Produkte sind für den Obstbau zugelassen.
Die Anwendung der im Obstbau zulässigen Produkte ist auf das Kern- und Steinobst beschränkt.

Material und Methoden
In Ahrweiler wurden mit verschiedenen Produkten über 3 Jahre Versuche zur Frostspannerbekämpfung im Obstbau durchgeführt.
Der Wirkungsgrad in Prozent (WG %) wurde schließlich nach Abbott errechnet.
1995 wurde XenTari mit Delfin, 1996 wurde XenTari mit Dipel ES und Bulldock und 1997 wurde Turex mit verschiedenen Insektiziden verglichen.


Wirkstoffgehalt der in den Versuchen geprüften Bacillus thuringiensis-Produkte:




ProduktAS-Gehaltausgebrachte Produktmenge
Delfin64 g/kg0,5 kg/ha
Dipel ES33,2 g/l1 l/ha
Turex3,8 %1 kg/ha
XenTari10 %1 kg/ha

Bei den übrigen Produkten handelt es sich um:

    Produkt
Wirkstoffgruppe
    Bulldock
Pyrethroid
    Dimilin
Häutungshemmer
    Mimic
Häutungsbeschleuniger
    Rubitox
Phosporsäure-Ester


Alle Versuche wurden am gleichen Standort durchgeführt. Über die Jahre stieg der Befall am Standort von 20 auf bis zu 100 %, teilweise sogar deutlich darüber hinaus.

Während die Mittel 1995 und 1996 mit der Motorrückenspritze (Geizhals) ausgebracht wurden, kam 1997 ein modernes Parzellensprühgerät zum Einsatz (Schachtner). Die Wassermenge betrug mit beiden Geräten 500 bzw. 530 l/ha.

1995 wurde etwa 5 Wochen nach Schlupfbeginn*) während einer Warmphase mit Tagesmittelwerten von etwa 15° C behandelt. Larvengröße: 0,6 bis 1,6 cm.
1996 erfolgte die Behandlung etwa 8 Tage nach Schlupfbeginn während einer Temperaturperiode mit Tagesmittelwerten von etwa 10° C mit anschließend (5 Tage) deutlicher Abkühlung und Nachtfrösten. Larvengröße: 0,3 bis 1,0 cm.
1997 erfolgte die Behandlung gut 4 Wochen nach Schlupfbeginn nach einer markanten Frostperiode um den 8. April (6. bis 9. April) und unmittelbar vor einer weiteren Frostperiode vom 22. bis 24. April. Larvengröße: 0,2 bis 1,0 cm.

*) = Der Schlupfbeginn errechnet sich nach Gottwald bei 2430 Gradstunden auf der Basistemperatur von 5 °


Ergebnisse
Die Ergebnisse werden in folgenden graphischen Darstellungen gezeigt.
Zur Verdeutlichung wurden die Bacillus-Produkte fett und kursiv geschrieben.











Der Befall und die Wirkungsgrade sind den obenstehenden graphischen Darstellungen der einzelnen Jahre zu entnehmen.


Fazit und Empfehlung für den Integrierten Anbau
Mit B.th-Produkten können hervorragende Bekämpfungserfolge gegen Frostspannerraupen erzielt werden. Dies gilt für Kernobst wie auch für Steinobst.
Verschiedene Anwendungsbedingungen können den Erfolg jedoch deutlich schmälern.
Folgende Fälle sind beispielsweise zu nennen:
a) wenn niedrige Temperaturen bzw. Frost zu Fraßstopp führen,
b) wenn die UV-Strahlung fortlaufend den Wirkstoff abbaut, während die Larven sich in einer Kühlphase eingesponnen haben,
c) wenn die Schlupfphase länger anhält, als das Mittel wirkt,
d) wenn starker Befallsdruck herrscht.

1996 und 1997 traten in vielen Praxisanlagen alle ungünstigen Wirkungsvoraussetzungen zusammen auf. Die Resultate von Einzelbehandlungen waren deshalb häufig nicht zufriedenstellend.
Daß in solchen Situationen Spritzfolgen notwendig sind, erkennt man insbesondere an der schlechten Wirkung der übrigen Insektizide 1997, deren Dauerwirkung ebenfalls deutlich begrenzt ist. Ob Zweit- oder Drittspritzungen mit voller oder reduzierter Aufwandmenge auszubringen sind, ist noch abzuklären!

Nach Ergebnissen aus anderen Bereichen ist eine Wirkungsverbesserung unter Zusatz von Netzmitteln wie Biofa-Seife erzielbar. Dies gilt aber nur bei Verwendung von pulverformulierten Produkten wie Turex oder XenTari. Bei flüssigen Produkten wie Dipel ES ist ein Netzmittel bereits integriert.

Für die praktische Anwendung in den einzelnen obstbaulichen Kulturen stehen 1999 nach IP-Mittelliste folgende Produkte zur Verfügung:




ObstartHauptprodukteNebenwirkung anderer Produkte
Kernobst- Alsystin *) (B1)
- Bacillus thuringiensis-Produkte (B4) (z.B. Dipel ES, Turex, XenTari)
-Dimilin 25 WP *)(B4)
-Pyrethrum-Produkte (B4)
(z.B. Spruzit flüssig, ...)
-Mimic (B4)
-ME 605 Spritzpulver (B1)
-Unden flüssig (B1)
Zwetschen u.a.-Bacillus thuringiensis-Produkte (B4) (z.B. Dipel ES, Turex, XenTari)
-Unden flüssig (B1)
-Pyrethrum-Produkte (B4)
(z.B. Spruzit flüssig, ...)
-
Kirschen-Bacillus thuringiensis-Produkte (B4) (z.B. Dipel ES, Turex, XenTari)
-Pyrethrum-Produkte (B4)
(z.B. Spruzit flüssig, ...)
*) = Zulassung ist beendet; Restmengen
können 1999 noch aufgebraucht werden


Nach einem über Jahre anhaltenden hohen Befallsdruck rechnen wir mit einem vorüber gehenden Rückgang der Frostspannerpopulation, wenngleich es weiterhin Standorte mit besonders hohem Befallsniveau geben wird. Standorte, die mit Windverdriftung von Junglarven aus der Umgebung rechnen müssen, sind hier gemeint. Von benachbarten Laubwäldern oder unkontrollierten Gehölzbeständen geht eine besondere Gefahr aus.

Wir danken Frau Dr. Arp Fa. STÄHLER Agrochemie Stade für die ausführlichen Wirkstoffinformationen.

- Manfred Hellmann und Reinhard Busch (Pflanzenschutzberater), Staatliche Lehr- und Versuchsanstalt Ahrweiler/Mayen -
- Erschienen im "Obstbau" 1999 -


manfred.hellmann@dlr.rlp.de     www.DLR-Rheinpfalz.rlp.de